Ursprünglich veröffentlicht auf tbd*

Über die Autorin: Ronnit Wilmersdörffer arbeitet seit fünf Jahren im Social Startup Sektor und verstärkt seit kurzem das Team der Expedition Grundeinkommen. Die Expedition Grundeinkommen initiiert und begleitet Volksabstimmungen für einen staatlichen Modellversuch des bedingungslosen Grundeinkommens. Übrigens sucht die Expedition momentan eine*n Frontendentwickler*in  – hier geht es zur Ausschreibung.

Wie kann man dem Purpose und den Menschen in einem Team gleichermaßen gerecht werden? Das ist keine triviale Frage: in der Wirtschaft und im sozialen Sektor gleichermaßen werden Aufopferung für die Arbeit (oder eben die Sache) oft erwartet oder zumindest ermutigt. Trotz New Work Methodik und agilen Mindsets bleibt das Wohlbefinden und die Selbstorganisation der Mitarbeitenden in der Regel mittel zum Zweck zur Leistungssteigerung. Wie also sieht eine Organisation aus, in der menschliches Wohlbefinden mehr ist als ein großzügig ausgelegter Faktor in einer Effizienzfunktion?

Seit fünf Wochen bin ich Teil der Expedition Grundeinkommen, die sich dem politischen Vorantreiben des bedingungslosen Grundeinkommens verschrieben hat. Dahinter steht die Freiheit des Menschen als Selbstzweck, aber auch der Glaube, dass diese es den Menschen erst ermöglicht, positive gesellschaftliche Wirkung zu entfalten. Diese Haltung haben die Gründer*innen auch in der Organisationskultur fest verankert: Neben dem erwartbaren Drive, der Vision und der unternehmerischen Haltung ist der Erhalt von Selbstbestimmtheit – jenseits von sozialen Erwartungen und Leistungsdruck – ein bezeichnender Bestandteil der Organisationskultur. Das manifestiert sich auf unterschiedlichen Ebenen.

Zum einen werden die Rahmenbedingungen für die Mitarbeit – wie inzwischen ja vielerorts – individuell ausgestaltet. Zum anderen herrscht aber ein ehrlicher Respekt dafür, dass Menschen jenseits von Arbeit und Projekt Raum in ihrem Leben brauchen: für Hobbies, Familie, Beziehungen und für körperliche und mentale Gesundheit. Darum ist die reguläre Arbeitswoche nur 32 Stunden lang. Auch andere Elemente der Zusammenarbeit verändern sich, wenn die menschliche Komponente gleichberechtigt zur sachlichen Arbeit Raum findet. Im Team wird verhältnismäßig viel über Gemütszustände gesprochen, Unwohlsein oder Konflikte an Ort und Stelle thematisiert – das ist durchaus nicht immer angenehm. Doch es eröffnet eben auch Räume für Ursachenforschung, Rücksichtnahme, gegenseitige Unterstützung, Konfliktlösung und eine agilere, nachhaltigere Art des Zusammenarbeitens.


Die Gründer*innen der Expedition Grundeinkommen – Laura und Joy.

Es bleibt dabei immer ein Seiltanz, die individuellen Bedürfnisse aller Teammitglieder und die sachlichen Anforderungen unserer Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Denn wie überall sonst gibt auch in dieser Organisation tendenziell mehr Arbeit als Personal, Bottlenecks und harte Deadlines. Auch wir machen Überstunden, manchmal auch jenseits der Komfortzone. Der Unterschied ist aber dieser: Wenn die Baseline Selbstfürsorge und die nachhaltige eigene Wirksamkeit – und nicht Effizienz als Selbstzweck – ist, dann ist außergewöhnliche Belastung eher eine 45- als eine 65-Stundenwoche. Entscheidungen werden getroffen, die solche Situationen möglichst vermeiden und nicht billigend in Kauf nehmen. Der Raum für Selbstfürsorge wird von allen Teammitgliedern selbstbewusst eingefordert und nicht entschuldigend gerechtfertigt. Denn so stellen wir uns eine Arbeitswelt vor, in der Menschen aus eigener Motivation und nicht aus wirtschaftlichen Zwang teilnehmen. Und auf so eine Welt arbeiten wir schließlich hin.

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