Am Dienstag, dem 15. November 2022, hält der Sozialwissenschaftler Dr. Manuel Franzmann einen Abendvortrag zu „Das bedingungslose Grundeinkommen als Demokratisierung der sozialstrukturellen Verfügbarkeit von (bildender) Muße“.
Zeit: 18:00 – 20:00 Uhr c.t.
Ort: KG 1, HS 1015, Platz der Universität 3, 79098 Freiburg
Zur Person: Siehe persönliche Webseite: https://www.manuelfranzmann.de/
Abstract zum Vortrag: Es gibt zahlreiche Charakterisierungen des BGEs (manche mit empirischem Teil, andere nicht). Die meisten beziehen sich auf einen bestimmten gesellschaftlichen Problemkomplex und versuchen zu bestimmen, was es diesbezüglich bedeuten würde. Über die Jahre ist so ein großer Reichtum an Aspekten deutlich geworden, der den universalistischen Charakter des BGEs hat anschaulich werden lassen. Dieser resultiert aus den Autonomiegewinnen, die es Individuen in unterschiedlichsten Lebenskonstellationen und -situationen verschaffen würde (nichts hat einen universalistischeren Charakter als Autonomie). Um diesen Kern des BGEs sozialwissenschaftlich-theoretisch näher zu bestimmen, reicht der Autonomiebegriff nicht aus. Dafür ist er zu abstrakt. Ebenso wenig eine Bestimmung ex negativo, wie sie in der Aussage zu finden ist, ein BGE verschaffe „die Möglichkeit, Nein zu sagen“ (zu ausbeuterischen Formen von Erwerbsarbeit, generell zu einschränkenden Sozialbeziehungen). Kandidat für eine angemessene positive Bestimmung ist der Mußebegriff, mit dem sich formulieren lässt, dass ein BGE auf eine Demokratisierung der sozialstrukturellen Verfügbarkeit von Muße hinausliefe. Muße ist die zentrale Ausgangsbedingung für genuine Bildungsprozesse im Sinne von Wilhelm von Humboldt, der im Zuge der Bologna-Reformen bezeichnenderweise weitgehend in Vergessenheit geraten ist und durch intellektuell wie empirisch ausgesprochen flache, meist aus der Psychologie gelieferte Lern- und Kompetenztheorien ersetzt worden ist. Die Demokratisierung der Verfügbarkeit von Muße würde Individuen genuine Bildung über die gesamte Lebensspanne ermöglichen, was vor dem Hintergrund des dynamisierten Strukturwandels eine besondere Relevanz erhält. Allerdings hängt hier viel davon ab, wie man den Mußebegriff sozialwissenschaftlich versteht. Grenzt man ihn von kontemplativer Reflexivität, Entspannungspraktiken u.ä. nicht deutlich ab, wird er analytisch wertlos und sind Missverständnisse vorprogrammiert.