Vom 12. bis 14. April 2024 fand in Freiburg die Aktivist*innen-Tagung des FRIBIS unter dem Titel „Zukunft – Klima – Grundeinkommen“ statt. Ziel der Tagung war es, Aktivist*innen aus den Bereichen Klimaschutz und Grundeinkommen zusammenzubringen, um voneinander zu lernen, neue Perspektiven zu eröffnen und Synergien entstehen zu lassen. Wie die Tagung verlaufen ist und welche Eindrücke und Erfahrungen die Teilnehmenden gesammelt haben, erfahren Sie im folgenden Bericht.

Auftakt und Impulsvorträge

Nach der Begrüßung durch den Direktor des FRIBIS, Bernhard Neumärker, führte Enno Schmidt, damaliger Geschäftsführer des FRIBIS, in Ablauf und Charakter der Tagung ein. Gemeinsam mit ihm begleiteten Helmo Pape (Generation Grundeinkommen Österreich) und Joy Ponader (Expedition Grundeinkommen) die Tagung während der nächsten drei Tage organisatorisch. Anschließend ging es mit Impulsvorträgen von Jana Mestmäcker (Letzte Generation), Gregor Hagedorn (Scientists for Future), Simone Herpich (Scientists for Future) und Ronald Blaschke (Netzwerk Grundeinkommen) direkt in medias res.

Gregor Hagedorn, akademischer Direktor des Museum für Naturkunde Berlin und Mitbegründer von Scientists for Future, betonte, dass Wissenschaftler*innen immer auch politisch sind – egal ob sie reden oder schweigen. Ronald Blaschke, Mitbegründer und Sprecher des deutschen Netzwerkes Grundeinkommen, stellte heraus, dass ein Grundeinkommen ohne einen intakten Planeten keine Lösung darstellt, insofern ökologische Krisen die Grundlage unseres Lebens und Wirtschaftens bedrohen. Jana Mestmäcker berichtete, wie sie sich durch ihr Engagement bei der Letzten Generation erstmals selbstbestimmt fühlte. Ihre Motivation zur Teilnahme der Tagung schildert sie folgendermaßen:

Jana Mestmäcker

Ich habe an der Tagung teilgenommen, weil ich die Kombination der unterschiedlichen Kreise – Klimaprotest und Grundeinkommen – spannend fand. Die Atmosphäre während der Tagung war in meiner Wahrnehmung angenehm und familiär. Die Gesprächskreise haben zum Austausch untereinander angeregt. Nach Tagungen wie dieser habe ich meist den Impuls, die Konsequenz aus dem Gehörten zu ziehen und störenden Protest auf die Straßen zu bringen, um aktiv auf politische Veränderung hinzuarbeiten – so war es auch diesmal. Das Grundeinkommen fand ich vorher gut und so sehe ich es immer noch. Nichts wäre meiner Meinung nach befreiender für unsere Gesellschaft. Aktuell bleibt Demokratie-leben zu häufig ein „Hobby“ derjenigen, die es sich leisten können.

Gesprächskreise und Vernetzung

In den anschließenden Gesprächskreisen hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, die durch die Vorträge angestoßenen Gedanken zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Ein zentrales Thema war dabei die Frage nach den Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen der Klima- und der Grundeinkommensbewegung. Als wesentlicher Berührungspunkt wurde herausgearbeitet, dass beide Bewegungen die Dominanz des Kapitalismus und die einseitige Fixierung auf Erwerbsarbeit kritisch hinterfragen. Anstelle eines Wirtschaftssystems, das auf kontinuierlichem Wachstum und Konsumismus basiert und mitunter sinnlose oder schädliche Arbeiten hervorbringt, streben sowohl die Grundeinkommens- als auch die Klimabewegung eine Wirtschaftsordnung an, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen und den Erfordernissen des Ökosystems orientiert.

Aktivismus als Lebensform

Am Freitagabend berichtete die Schweizer Fridays-for-Future-Gründerin und Jugenddelegierte Marie-Claire Graf über ihren aktivistischen Werdegang und die Motivation hinter ihrem gesellschaftlichen Engagement. Sie sprach über die Zukunftsängste der jüngeren Generation angesichts des Klimawandels und betonte die Notwendigkeit, Aktivismus nicht nur als Tätigkeit, sondern als integralen Bestandteil der eigenen Lebensform zu betrachten.

Initiativen und Projekte

Der Samstag begann mit einem Vortrag von Herbert Jauch, der sich in Namibia für eine Grundeinkommenskoalition und die Schulung von Aktivist*innen einsetzt. Jauch schilderte, wie das Pilotprojekt zum Bedingungslosen Grundeinkommen in Otjivero ab 2008 zunächst sehr positive Ergebnisse zeigte, u. a. eine Verringerung der Armut, eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation, eine höhere Schulbesuchsquote und die Belebung der lokalen Wirtschaft. Trotz dieser Erfolge kam es nach Auslaufen des Projekts nicht zu einer Fortsetzung oder Ausweitung. Stattdessen zeigten sich starke Widerstände seitens der namibischen Regierung, der Kirchen und internationaler Geldgeber wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF).

Im Anschluss an den Vortrag von Herbert Jauch stellte Rebecka Ambjörnsson das Projekt KARUNA Family vor, bei dem sich Jugendliche in einem Freiwilligen Jahr selbst entwickeln können. Susanne Wiest und Uschi Bauer erzählten die Geschichte der „Krönungswelle“ von 2012. Die „Krönungswelle“ war eine Aktion der Grundeinkommensbewegung, bei der Menschen durch das Aufsetzen von Pappkronen symbolisch zu „wahren Souveränen“ gekrönt wurden. Die Idee dahinter: Ein Grundeinkommen würde die Menschen befähigen, aufrecht und selbstbestimmt durchs Leben zu gehen.

Anschließend präsentierten Christina Strohm und Dorothee Herzog von „Mein Grundeinkommen” Zwischenergebnisse aus ihrem Projekt. Ein vorläufiger Bericht zeigte, dass Menschen, die ein Grundeinkommen erhalten, klimafreundlichem Handeln eine höhere Bedeutung beimessen. Das Grundeinkommen scheint demnach auch einen positiven Effekt auf ökologisch nachhaltiges Verhalten zu haben.

Ulrich Schachtschneider (Universal Basic Income Europe) stellte Überlegungen zu einem ökologischen Grundeinkommen vor. Er argumentierte, dass Ansätze wie der Klimageld-Bonus bereits Schritte in Richtung einer Verknüpfung von sozialer Sicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit darstellen. Schachtschneider vertrat die These, dass ein Grundeinkommen dazu beitragen könnte, die Nachfrage nach ökologisch fragwürdigen Konsumgütern und Dienstleistungen zu reduzieren. Dadurch könnte eine Grundeinkommensreform langfristig zu einer Verkleinerung des Wirtschaftssystems führen und somit positive Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Ziviler Ungehorsam und Widerstand

Am Samstagnachmittag traten Lina Johnson (Letzte Generation), Kali* (Ende Gelände) und Werner Rätz (Netzwerk BGE Attac) auf. Lina Johnson erzählte persönlich von ihrem Aktivismus und sprach im Rückgriff auf Theoretiker*innen (u. a. Erica Chenoweth & Gene Sharp) und historische Beispiele über die unterschätzte Kraft des zivilen, friedlichen Widerstands. Kali* präsentierte vielfältiges Videomaterial von Aktionen zivilen Ungehorsams gegen Braunkohletagebau. Der anschließende Vortrag von Werner Rätz stand den Präsentationen seiner jüngeren Mitstreiter*innen in Sachen Leidenschaft und Engagement in nichts nach.

Lina Johnson

Ich wurde als Sprecherin der Letzten Generation eingeladen an der Aktivist:innen Tagung teilzunehmen und habe mich sehr über die Einladung gefreut. Ich habe die Tagung als einen mehrtägigen, intensiven und dennoch äußerst angenehmen Ort des Wissens- und Erfahrungsaustauschs wahrgenommen mit konkreter Ausarbeitung von Umsetzungsmöglichkeiten. Besonders gefallen hat mir, die persönliche Note der Veranstaltung und die diversen Altersgruppen, die aufeinander trafen, miteinander bei vorzüglichem veganen Buffet-Häppchen schnackten und sich vernetzten. Ich habe das bedingungslose Grundeinkommen vorher schon als wichtig und sinnvoll angesehen, habe jetzt aber auch noch meinen Blick in Bezug auf den Zusammenhang mit effektiverem Klimaschutz und Absicherung von vulnerablen Gruppen in sich zuspitzenden Krisenzeiten vertiefen können. Ich finde die Idee, direkte Aktionen aus dem friedlichen zivilen Ungehorsam mit den Forderungen nach Bedingungslosem Grundeinkommen zu verbinden richtig gut und hoffe dass sich die Bewegung organisiert, verbindet und ausprobiert.

Abschluss der Tagung

Der Sonntag startete mit einer Zusammenfassung der persönlichen Eindrücke aller verbliebenen Teilnehmenden. Zum Abschluss moderierte Rebecca Panian das Format „Voll auf die 12“, bei dem zwölf geloste „Geschworene“ sich in begrenzter Zeit auf einen Lösungsvorschlag einigen mussten. Rebecca Panian hatte Enno Schmidt vorgeschlagen, dieses Format durchzuführen, um am Ende möglichst konkrete Ansätze zu haben, wie Klima- und Grundeinkommensbewegung zusammenkommen können. „Ich fand das Zusammenbringen der Klima- und der Grundeinkommens-Bewegungen grossartig!“, so Rebecca Panian. Sie lobte die Struktur der Tagung, die neben Inputvorträgen auch Raum für vertieften Austausch und Vernetzung bot: „Die Struktur der Tagung war sehr gut, weil es nicht nur einen Input-Vortrag nach dem anderen gab, sondern nach ca. 4 Inputbeiträgen gab es die Möglichkeit, sich vertieft mit der Person auszutauschen, deren Beitrag mit einem selbst am meisten resonierte.“

Die Veranstaltung habe sie nachhaltig berührt, „weil diese Zusammenführung der 2 Welten – Klima und Grundeinkommen – wirklich enorm schön und wichtig war. Vor allem auch deswegen, weil ein Grundeinkommen so viel mehr Menschen ermöglichen würde, sich für das Gemeinwohl – und den Planeten – zu engagieren!“ Aus der Tagung seien viele wertvolle Kontakte entstanden, und Rebecca ist gespannt, was daraus noch erwachsen wird. Wir haben sie gefragt, ob die Tagung ihre Sichtweise auf das Bedingungslose Grundeinkommen verändert hat: „Nein. Nur bestätigt, dass die Idee einfach wirklich der Knaller ist und ich mein Möglichstes tun will, damit es bald Realität wird – als Menschenrecht.“

Fazit

Während der gesamten Tagung herrschte eine angenehme und kollegiale Atmosphäre, zu der auch das schmackhafte vegane Catering der Sin Carne Schwarzwald GmbH beitrug. Die Struktur der Veranstaltung mit Impulsvorträgen und anschließenden Gesprächskreisen ermöglichte nicht nur eine inhaltliche Vertiefung der behandelten Themen, sondern förderte auch den Austausch und die Vernetzung zwischen den Teilnehmenden. Durchschnittlich waren etwa 70 Personen bei der Tagung anwesend, was vom großen öffentlichen Interesse für die Veranstaltung zeugt.

Insgesamt unterstrich die Tagung die Bedeutung und den Wert eines interdisziplinären und transaktivistischen Dialogs zwischen der Klimaschutz- und der Grundeinkommensbewegung. Viele Teilnehmende nahmen neue Erkenntnisse, Kontakte und Impulse für konkretes Handeln mit nach Hause. Es bleibt spannend zu verfolgen, welche weiteren Entwicklungen und Initiativen aus den entstandenen Verbindungen hervorgehen werden.