Bedingungsloses Grundeinkommen als Baustein gesellschaftlicher Transformation und Politikgestaltung: Rückblick auf Ringvorlesung an der Universität Wien im WS 24/25

Im Wintersemester 2024/25 fand an der Universität Wien eine Ringvorlesung zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen – Baustein für gesellschaftliche Transformation und Politikgestaltung“ statt. Die von Prof. Dr. Barbara Prainsack geleitete und in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Grundeinkommen und Sozialer Zusammenhalt (BIEN Austria) organisierte Vorlesungsreihe schlug eine Brücke vom BGE zu einer Vielzahl verschiedener Themen – von den Grundlagen des österreichischen Sozialstaats über Care-Arbeit und künstliche Intelligenz bis hin zu praktischen Fragen der konkreten Politikgestaltung.

Mehrere Mitglieder des FRIBIS-Teams „care“ waren mit eigenen Vorträgen und als Kommentierende an der Vorlesungsreihe beteiligt: Margit Appel kommentierte am 9. Oktober 2024 eine umfassende Analyse des österreichischen Sozialstaats, Prof. Dr. Ute Fischer referierte am 23. Oktober 2024 zum Themenkomplex Arbeit – Care – Grundeinkommen, während Dr. Verena Löffler den Vortrag kommentierte; Ronald Blaschke sprach am 27. November 2024 über die Unterschiede zwischen emanzipatorischen und so genannten neoliberalen BGE-Konzepten, und Gudrun Kaufmann stellte am 15. Januar 2025 Szenarien zum Grundeinkommen aus der Perspektive der narrativen Ökonomik vor.

Von links nach rechts: Prof. Dr. Barbara Prainsack, Prof. Dr. Ute Fischer, Dr. Verena Löffler

Verena Löffler betonte in ihrem Vortrag die Notwendigkeit, marginalisierte Gruppen stärker in den Grundeinkommensdiskurs einzubeziehen:

Die Grundeinkommensdebatte muss marginalisierte Gruppen stärker in den Fokus nehmen, da die Maximin-Verteilungsregel, auf der viele der gerechtigkeitstheoretischen Rechtfertigungen für ein Grundeinkommen basieren, dazu auffordert, diejenigen, die am wenigsten begünstigt sind in unserer Gesellschaft, prioritär zu berücksichtigen. Konkret wird das in der Grundeinkommensdebatte nur insofern getan, als Menschen berücksichtigt werden, die aktiv an der Gesellschaft und vor allem am formalen Erwerbsleben teilnehmen. Weniger wird diskutiert, wie ein Grundeinkommen Menschen beeinflussen könnte, denen die soziale Teilhabe aktuell verwehrt bleibt. Das ist ein Manko, das ausgebügelt werden sollte.

Dr. Verena Löffler

Wie sich Arbeit, Care und Grundeinkommen zu einem zeitgemäßen Sozialstaatsverständnis verhalten, haben wir Ute Fischer gefragt:

Care ist grundlegend für das Funktionieren von Gesellschaft. Fürsorge lässt sich familiär, beruflich sowie zivilgesellschaftlich leisten. Entsprechend dieser Bedeutung und Vielfalt muss ein Sozialstaat Möglichkeiten gewähren, um Fürsorge leisten zu können – Männern wie Frauen, alt wie jung. Das jetzige Sozialsystem diskriminiert Fürsorgende, indem die Care-Tätigkeiten entweder schlecht bezahlt oder gar unbezahlt verrichtet werden, und es diskriminiert Frauen, weil sie den Großteil (unbezahlt oder schlecht bezahlt) übernehmen. Mit einem BGE haben alle Menschen eine gute Absicherung, um so viel wie nötig und in Formen, die möglich sind, Fürsorge nachzugehen. Sie könnte ihr sinnstiftendes Potenzial entfalten, ohne dass man um seinen Unterhalt fürchten muss.

Um Grundsatzfragen ging es auch im Vortrag von Ronald Blaschke. Wie die grundlegenden Unterschiede zwischen emanzipatorischen BGE-Konzepten und sogenannten neoliberalen Grundeinkommensmodellen aussehen, auf die er in seinem Vortrag zu sprechen kam, beantwortet er wie folgt:

Es gibt keine neoliberalen Grundeinkommenskonzepte, lediglich solche Vorschläge für partielle Grundeinkommen. Weitere zentrale Unterschiede zwischen neoliberalen Vorschlägen für partielle Grundeinkommen und emanzipatorische Grundeinkommensansätzen bestehen in der grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Zielsetzung, Ausrichtung und entsprechenden Ausgestaltung der jeweiligen Konzepte.

Während neoliberale Ansätze auf optimale Bedingungen für das Funktionieren des Marktes zielen, haben emanzipatorische Ansätze die gänzliche Überwindung, mindestens aber die politische und demokratische Überwindung der Dominanz der Marktwirtschaft zum Ziel. Vereinfacht ausgedrückt: Emanzipatorische Ansätze zielen auf Dekommodifizierung und Demokratisierung der (Re)Produktion, der gesellschaftlichen Verhältnisse und sozialen Beziehungen, implizit aus ökologischen Gründen auch auf eine Dekarbonisierung und Dematerialisierung dieser (Re)Produktion. Damit verbunden ist bei emanzipatorischen Ansätzen eine Markt- und Staatskritik, bei neoliberalen Ansätzen lediglich eine Staatskritik, um Marktmechanismen besser wirken zu lassen. Das hat auch Folgen für das jeweilige Verhältnis zum Sozialstaat: In neoliberalen Transferkonzepten soll der Sozialstaat abgebaut werden. In emanzipatorischen Ansätzen soll der Sozialstaat zu einer Absicherungsinstitution zwecks Beförderung individueller Befähigungen und solidarischer Kooperationen umgewandelt werden.

Ronald Blaschke

Den Abschluss der Vorlesungsreihe bildete am 15. Januar 2025 ein Vortrag von Gudrun Kaufmann zu „Szenarien zum Grundeinkommen aus der Perspektive einer narrativen Ökonomik“, kommentiert von Manfred Füllsack. Der Vortrag machte deutlich, inwiefern die spätestens seit Robert Shillers Narrative Economics: How Stories Go Viral & Drive Major Economic Events (2019) vieldiskutierte wirtschaftliche Bedeutung von Narrativen auch für die Grundeinkommensdebatte relevant ist.

 

Gudrun Kaufmann (rechts)

Damit die Inhalte der gesamten Ringvorlesung einem breiteren Publikum zugänglich werden, sollen sie in den kommenden Monaten in Form von Podcasts von Studierenden aufbereitet werden. Weitere Informationen folgen.

Rückblick auf den Fachtag an der FH Dortmund, 24. Januar 2025: Zur Debatte um Grundeinkommen und Soziale Infrastruktur

Am 24. Januar 2025 fand an der Fachhochschule Dortmund auf Initiative von Prof. Dr. Ute Fischer ein Fachtag zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen und Soziale Infrastruktur?!“ statt. Veranstaltet wurde die Tagung vom Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der FH Dortmund in Kooperation mit FRIBIS, dem Netzwerk Grundeinkommen Deutschland, BIEN Austria sowie dem Netzwerk Care Revolution und dem Verein Solidarisch Sorgen. Wie Ronald Blaschke in seinem Tagungsbericht auf der Website von Netzwerk Grundeinkommen dokumentiert, stieß die Veranstaltung auf großes Interesse: Es nahmen rund 80 Personen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen teil. Einen weiteren informativen Bericht finden Sie auf fh-radar, dem News-Portal der FH Dortmund.

Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen wurden verschiedene Konzepte sozialer Sicherung diskutiert. Von Margit Appel (FRIBIS-Team „care“), die in ihrem Vortrag über „Infrastrukturen der Sorge“ sprach, wollten wir wissen, welche konkreten Verknüpfungen zwischen dem Grundeinkommen und öffentlichen Dienstleistungen ihr im Laufe des Fachtags besonders deutlich wurden:

Mein Beitrag war eine Anfrage an beide Ansätze – UBI und UBS – aus der Perspektive „Infrastrukturen der Sorge. Aspekte von Bedingungslosigkeit“. Beide Ansätze, finde ich, messen geschlechtergerechter Sorgearbeit, entsprechenden Rahmenbedingungen und Einrichtungen nicht die zentrale Bedeutung zu, die sie als „Schauplatz“ für das Gelingen einer sozial-ökologischen Transformation haben.

Im UBI-Ansatz wird die Trennung von Erwerbsarbeit und Einkommen – anders formuliert die Überwindung des Erwerbsarbeitszwangs – mit guten Gründen als zentraler Hebel für die Transformation des kapitalistischen Gesellschaftssystems gesehen. Die äußerst systemrelevante Organisation unbezahlter Arbeit, ihren Rahmenbedingungen und Institutionen wird fälschlicherweise weniger Bedeutung beigemessen – dies ist ein berechtigter Kritikpunkt am UBI-Ansatz.

Im UBS-Ansatz ist ein veränderter Modus der Produktion und Bereitstellung öffentlicher Güter, Dienstleistungen und Einrichtungen – mit ebenfalls guten Gründen – der zentrale Hebel für die Transformation des kapitalistischen Gesellschaftssystems. Die beharrlichen geschlechterhierarchischen Dynamiken von Erwerbsarbeit scheinen demgegenüber weniger wichtig zu sein. Unklar bleibt auch, wie angesichts hegemonialer sexistischer und rassistischer Gesellschaftsmuster benachteiligte Gruppen an den gedachten Prozessen zur Erreichung „Öffentlichen Luxus“ (um dieses ansprechende Bild von Lukas Warning und Kolleg:innen zu zitieren) gleichberechtigt oder sogar ganz besonders beteiligt sein könnten.

In meinem Beitrag habe ich die Frage gestellt, ob auch innerhalb von für die sozial-ökologische Transformation engagierten Gruppen ausreichend darüber nachgedacht wird, was gute, geschlechtergerechte, möglichst diskriminierungsfreie „Infrastrukturen der Sorge“ sein könnten. Ob wir gut genug wissen, was für ein besonderes Tätigsein das Sorgen ist und welche Ressourcen und Rahmenbedingungen es braucht. Ich habe Beispiele dafür gezeigt, wie in der jüngeren Vergangenheit Krisen immer zum umfassenden Zugriff auf das Arbeits- und Sorgevermögen diskriminierter Gruppen, insbesondere Frauen, geführt haben.

In der sozial-ökologischen Transformation geht es um eine Veränderung im Zugang zu Ressourcen: gesunde Umwelt, Einkommen, Zeit, politischen Einfluss, öffentliche Güter und Dienstleistungen, … . Aus meiner Perspektive wird es sowohl ein Bedingungsloses Grundeinkommen als auch Universelle öffentliche Güter brauchen um die bestehende kapitalistische Gesellschaftsordnung zu überwinden, die zentral darauf beruht, dass bestimmte Personen(gruppen) als diejenigen markiert sind, die besser als andere dafür geeignet sind, die abgewertete Sorgearbeit zu machen.

Tim Sonnenberg: “Wohnungslosigkeit und UBI und/oder UBS?!”
Besonders intensiv wurde das Verhältnis zwischen dem deutschen Konzept der „Sozialen Infrastruktur“ und dem britischen Ansatz der „Universal Basic Services“ (UBS) in ihren jeweiligen Beziehungen zum Grundeinkommen erörtert. Diese Unterschiede sollten sich im Verlauf des Fachtags als zentraler Diskussionspunkt erweisen. Besonders deutlich wurden die verschiedenen Positionen im Zuge einer Debatte zwischen Richard Bärnthaler (Universität Leeds) und Ronald Blaschke (Netzwerk Grundeinkommen, FRIBIS-Team “care”). Dr. Bärnthaler, der den britischen UBS-Ansatz vertrat, begründete seine Kritik am Grundeinkommen wie folgt:
Obwohl sowohl BGE als auch UBS eine verteilungswirksame Wirkung haben können, ist UBS inhärent umverteilender. Beide können über progressive Steuern finanziert werden, doch UBS führt zusätzlich auf der Ausgabenseite zu einer Umverteilung, da einkommensschwächere Gruppen einen höheren Anteil ihres Einkommens für grundlegende Dienstleistungen und Leistungen aufwenden. Natürlich kann argumentiert werden, dass bestimmte BGE-Modelle ebenfalls zusätzliche Verteilungseffekte haben – dies ist jedoch darauf zurückzuführen, dass sie mit weiteren Maßnahmen wie einem Mietendeckel etc. kombiniert werden. Dieses Argument verfehlt jedoch den eigentlichen Kernpunkt: UBS ist per se verteilungswirksamer als BGE, denn auch UBS kann selbstverständlich mit weiteren Maßnahmen ergänzt werden.

Die BGE-Debatte blendet zentrale Fragen der sozial-ökologischen Transformation aus – insbesondere, wie Güter und Dienstleistungen produziert und bereitgestellt werden. Es reicht nicht aus, lediglich die Kaufkraft innerhalb der bestehenden Wirtschaft umzuverteilen, wenn die Wirtschaft selbst – also die Ziele und Strukturen der Bereitstellung – grundlegend transformiert werden muss. Wer kontrolliert die Bereitstellung? Welche Eigentumsverhältnisse bestehen? Wer produziert was, unter welchen Bedingungen und für wen? Diese Fragen stehen im Zentrum der UBS-Debatte. Empirische Evidenz zeigt zudem, dass ein höheres Maß an kollektiver Bereitstellung und öffentlichen Leistungen mit einer besseren Bedürfnisbefriedigung bei gleichzeitig geringerem Energieverbrauch korreliert.

Ein Grundeinkommen kann ein bedeutender Bestandteil eines transformativen und emanzipatorischen Maßnahmenpakets sein – neben UBS und einer öffentlichen Beschäftigungsgarantie. Als primärer Fokus greift dieser Diskurs jedoch zu kurz, um die dringend notwendige radikale wirtschaftliche Transformation zu erreichen.

Dem stellte Ronald Blaschke eine grundlegende Analyse der unterschiedlichen Konzepte gegenüber:

Das deutsche Konzept der ,Sozialen Infrastruktur‘ schließt, anders als das britische UBS-Konzept, die Einführung des Grundeinkommen ein – aus guten Gründen. Ein Ausgangspunkt dieses Konzepts der Sozialen Infrastruktur ist die radikale Ablehnung jeglichen Arbeitszwangs. Ebenso steht ein großer Teil der Grundeinkommensbewegung für eine Komplementarität von Grundeinkommen und universellen, bedingungslosen, also auch weitgehend gebührenfreien Zugängen zu öffentlichen Gütern, Infrastruktur und Dienstleistungen. Insbesondere auch für deren demokratische und nutzer:innenorientierte Ausgestaltung. Viele Feminist:innen, christliche Organisationen, die unabhängige Erwerbslosenbewegung in Deutschland und in anderen Ländern sehen das genauso – ebenso Wissenschaftler:innen im Care- und Ökologiebereich.

Die britischen Protagonist:innen des Konzepts ,Universal Basic Income‘ (UBS) haben vor sechs Jahren ebenfalls die Komplementarität von Grundeinkommen und Basic Services hervorgehoben. Es mehren sich in letzter Zeit aber aus deren Reihen Stimmen gegen diese Komplementarität – auch mit Behauptungen in Bezug auf das Grundeinkommen, die einer Prüfung nicht standhalten. Das Grundeinkommen wäre z. B. nicht so verteilungswirksam wie die UBS, teurer und würde auch Fragen der Produktion und Bereitstellung der öffentlichen u. a. Güter ausblenden. Diese Behauptungen weisen auf einen großen Diskussions- und Aufklärungsbedarf hin, auch auf die nötige Rezeption von Grundeinkommenskonzepten, ebenso aber auch auf die kritische Hinterfragung des jeweilig eigenen Konzepts.

Kritisiert wird am Konzept der Basic Services (BS), dass dieses Konzept entgegen dem Begriff ,Universal Basic Services’ nicht allen Menschen den Zugang zu öffentlichen Gütern usw. eröffnet, sondern in bestimmten Bereichen nur einigen Personengruppen und verbunden mit einer Bedürftigkeitsprüfung. Sie sind also nicht universell. Schon von daher ist die Gefahr gesellschaftlicher Ausgrenzung, Spaltung und entsprechender gesellschaftlicher Ineffektivität groß. Auch müssen viele im BS-Konzept genannten Güter und Dienstleistungen (z. B. Lebensmittel, Wohnung), wenn auch staatlich subventioniert und daher im geringeren Umfang als bisher, weiterhin von den Nutzer:innen selbst bezahlt/gekauft werden. Die behauptete Dekommodifizierung der öffentlichen Güter, Infrastruktur und Dienstleistungen erfolgt schon von daher nicht, aber auch deshalb nicht, weil diese öffentlichen Güter und Dienstleistungen weiterhin (arbeits-)markt- und warenförmig produziert und vom Staat gekauft werden. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Themen Arbeitszwang generell und der Bedingungslosigkeit von Sorge-Arbeit speziell im BS-Ansätzen nicht problematisiert, auch nicht politisiert werden. Einige BS-Vorschläge mit ergänzenden bedingten Geldtransfers laufen darüber hinaus Gefahr, soziale Beziehungen bis tief in die lebensweltliche und private Sphäre hinein zu monetarisieren.

Foto 1: Prof. Dr. Ute Fischer (rechts) und Studierende des Masters “Soziale Nachhaltigkeit und demografischer Wandel”, die tragenden Organisator:innen des Fachtags / Foto 2: Vortrag David Petersen: “BGE und Postwachstum: Wege zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft?”

Die Intensität dieser Auseinandersetzung überraschte selbst die Moderatorin Dr. Verena Löffler (FRIBIS-Team “care”):

Mich hat vor allem überrascht, mit welcher Vehemenz die Diskussion zwischen BGE und UBS-Befürworter:innen geführt wurde. Kritik fungiert meiner Auffassung nach als Medium der Wissenschaft und hat eine durchaus gewinnbringende Funktion, allerdings nur wenn man die Gegenseite wirklich hört. Ich hoffe, dass der Fachtag dazu beitragen konnte.

Abschließend lässt sich feststellen, dass nicht allein die hohe Teilnehmendenzahl von rund 80 Personen vom großen Interesse an der Thematik zeugt, sondern auch die intensive und teils kontroverse Diskussion die Bedeutung der Frage verdeutlicht, wie verschiedene Ansätze sozialer Sicherung zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft beitragen können. „Viel Arbeit, großer Ertrag!“ resümiert Ute Fischer nach der Veranstaltung. „Besonders gut gefallen hat mir die starke Beteiligung der jungen Generation an der Veranstaltung sowohl von studentischer Seite als auch mit den jungen Referent:innen, die neue Anregungen in die Debatte um soziale Gerechtigkeit und sozial-ökologische Transformation bringen.“ So sah es auch Ronald Blaschke: „Die Fachtagung war ein Auftakt für eine fruchtbare Diskussion über die theoretische Fundierung und politische Gestaltung von Sozialen Garantien inkl. Grundeinkommen und Sozialer Infrastruktur bzw. Basic Services. Möge sie im Sinne einer gegenseitigen Beförderung erfolgen.“

Neues Paper im „International Journal of Educational Research“ erschienen zu Auswirkungen von finanzieller und zeitlicher Knappheit auf die Motivation Studierender

Jessica Schulz, Team-Koordinatorin des FRIBIS Gender-Team (UBIG), hat gemeinsam mit Ai Miyamoto und Matthias Nückles eine neue Studie im International Journal of Educational Research veröffentlicht. Das Paper zeigt, dass finanzielle Knappheit bei Studierenden zu einem verminderten Kompetenz- und Zugehörigkeitsgefühl sowie einem verminderten akademischen Selbstkonzept führt, während Zeitknappheit besonders das Gefühl der Selbstbestimmung beeinträchtigt. Wir haben Jessica Schulz gefragt, inwiefern diese Forschungsergebnisse zum ,Scarcity Mindset’ für die Grundeinkommensforschung relevant sind und inwiefern geplant ist, sie im Kontext der Grundeinkommensforschung weiterzuverfolgen:

Finanzielle Knappheit und Zeitknappheit hängen zunächst eng miteinander zusammen und korrelieren auch signifikant in unserer Studie. Wenn Studierende nicht genug Geld haben, weil sie beispielsweise kein Bafög bekommen, das Bafög nicht ausreicht und oder ihre Eltern sie nicht unterstützen können, müssen sie neben dem Studium arbeiten, was ihre Zeit zum Lernen und auch ihre Zeit für Regeneration und Freizeit erheblich limitiert. Knappheit ist darüber hinaus ein psychologisches Konzept, das nicht nur kognitive Ressourcen beeinträchtigt (wie viele Studien zeigen), die zum Lernen unbedingt benötigt werden, sondern darüber hinaus – das zeigen wir in unserer Studie – auch motivationale Faktoren, wie das akademische Selbstkonzept, die Selbsteffizienz, das Autonomie- und Kompetenzempfinden, sowie das Gefühl der sozialen Eingebundenheit, die ebenso wichtig für den akademischen Erfolg sind, wie kognitive Faktoren. Das psychologische Prinzip der Knappheit lenkt die Aufmerksamkeit auf die knappe Ressource und blendet andere wichtige Faktoren aus. So schildern Studierende mit finanzieller Knappheit, wie sie ständig bei Ausgaben daran denken, ob sie sich das jetzt wirklich leisten können und im Supermarkt permanent rechnen. Studierende unter Zeitknappheit kalkulieren ebenso permanent in ihrem Kopf, was sie wann machen müssen und können, wobei Regenration, Gesundheit und sportlicher Ausgleich meist zu kurz kommen. In einer Folgestudie (under review), in der wir die gleichen Studierenden nach ihren Einstellungen zum persönlichen Nutzen eines Grundeinkommensr fragten, konnten wir einen Zusammenhang zwischen finanzieller und Zeitknappheit und impliziten Einstellungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen feststellen. Studierende, die Knappheit erfahren, schilderten signifikant öfter, wie ein Grundeinkommen ihnen die mentale Belastung nehmen würde, die durch finanzielle Knappheit und Zeitknappheit ausgelöst wird.

Darüber hinaus stellten wir fest, dass weibliche Studierende mehr von diesem Zusammenhang zwischen Knappheit und Mental Load betroffen waren als männliche Studierende. In einer Folgestudie wollen wir uns diese Geschlechtsunterschiede unter dem Begriff der Gender Scarcity Gap, genauer anschauen. Dazu wird bereits gemeinsam im FRIBIS Gender Team viel diskutiert und reflektiert.

FRIBIS Best Paper Award 2024 für Nachwuchswissenschaftler:innen geht in diesem Jahr an Maria Franchi

Auch in diesem Jahr starten wir mit der Verleihung des FRIBIS Best Paper Awards. Die Wahl des FRIBIS-Direktoriums fiel in diesem Jahr auf Maria Franchi, Doktorandin an der University of Bath und Mitglied des FRIBIS Gender Teams, für ihren herausragenden Beitrag im FRIBIS-Jahrestagungsband Care & Gender – Potentials and Risks of Universal Basic Income. Proceedings of the FRIBIS Annual Conference 2023.

Mit ihrem Beitrag Towards a Feminist UBI. The potential of a relational approach alongside UBI on Care and Gender verknüpft Maria Franchi die Kernthemen der Tagung – Gender & Care – in einem interdisziplinären Diskurs, in dem sie Definitionen des Bedingungslosen Grundeinkommens aus einer feministischen Perspektive betrachtet. Hierbei werden Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit ebenso behandelt wie Diskussionen um die Verteilung von Care-Aufgaben.

Wir danken an dieser Stelle noch einmal allen Autor:innen für Ihre Beiträge und gratulieren Maria Franchi herzlich.

Postervorstellung von Larissa Walter auf dem Psychonomic Society’s 65th Annual Meeting in New York

Bericht von Larissa Walter, Mitarbeiterin des FRIBIS

Vom 21. bis 24. November 2024 fand in New York City das „Psychonomic Society’s 65th Annual Meeting“ statt. Die Jahrestagung ist ein wichtiges internationales Treffen für Kognitionspsycholog:innen aus über 40 Ländern. Es hat mich sehr gefreut, bei dieser Veranstaltung mit etwa 2.700 Teilnehmenden aktiv dabei zu sein, meine Forschung in Form eines Posters einem internationalen Publikum zu präsentieren und Forschende, die ich bisher nur aus wissenschaftlichen Artikeln kannte, persönlich zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen.

Während der vier Tage konnte ich viele inspirierende und spannende Einblicke in die Forschung anderer Kognitionspsycholog:innen gewinnen. Auch die Präsentation meiner eigenen bisherigen Forschungsergebnisse, basierend auf zwei eigenen Experimenten zum Einfluss von leistungsunabhängiger Entlohnung auf kognitive Kontrollprozesse, führte zu anregenden Diskussionen. Ich habe es als sehr bereichernd empfunden, meine Ergebnisse zu präsentieren und die Gelegenheit zu nutzen, bestehende Limitationen zu reflektieren und zu diskutieren.

Natürlich war auch die Stadt New York ein beeindruckendes und in vielerlei Hinsicht überwältigendes Highlight, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Nach den Vorträgen und Posterpräsentationen bot die Konferenz viele Gelegenheiten, die Abende in geselliger Runde mit anderen Forschenden zu verbringen und die einzigartige Atmosphäre der Metropole zu genießen.

Ein besonderes Erlebnis zum Abschluss meines Aufenthaltes war ein Treffen mit Otto Lehto im Anschluss an die Konferenz. Nachdem er bereits einige Zeit in Freiburg am FRIBIS verbracht hatte, freute ich mich sehr, nun die Gelegenheit zu haben seinen aktuellen Arbeitsplatz in New York kennenzulernen. Er zeigte mir die Umgebung seines Arbeitsplatzes und wir nutzten die Gelegenheit, uns über aktuelle, vor allem berufliche Themen auszutauschen. Dieses Treffen war ein gelungener Abschluss einer in jeder Hinsicht bereichernden Reise.

Die FRIBIS-Jahrestagung 2024: Ein Rückblick

Die FRIBIS-Jahrestagung 2024 fand vom 7. bis 9. Oktober an der Universität Freiburg statt. Unter dem Titel „Towards the development of a full UBI? Perspectives on partial approaches in different welfare systems“ brachte die Konferenz über 40 Vortragende und 79 registrierte Teilnehmende zusammen, wobei das hybride Format sowohl die Teilnahme vor Ort als auch online via Zoom möglich machte. In acht Sektionsblöcken mit jeweils bis zu drei parallelen Veranstaltungen wurden zentrale Fragen des Grundeinkommensdiskurses verhandelt – von partiellen Grundeinkommensansätzen über ökologische Perspektiven bis hin zu geschlechterspezifischen Aspekten. Die vier Keynotes der Tagung hielten Alexander Spermann (FOM Hochschule Köln), Jörg Althammer (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt), Bernhard Neumärker (FRIBIS) und Fabio Waltenberg (Universidade Federal Fluminense, Brasilien), die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Umsetzbarkeit und den Herausforderungen von Grundeinkommensmodellen befassten.

Die thematischen Schwerpunkte der Tagung

Die Tagung war in drei thematische Schwerpunkte gegliedert: Im ersten Themenbereich ging es um das BGE als soziale Grundsicherung und dessen Rolle im Wohlfahrtsstaat. Hier stand besonders das Verhältnis von Bedingungslosigkeit und gezielter Unterstützung vulnerabler Gruppen zur Diskussion. Der zweite Schwerpunkt widmete sich der Verbindung von Grundeinkommen und Nachhaltigkeit, wobei Ansätze wie Klimadividenden und CO2-Besteuerung im Mittelpunkt standen. Der dritte Themenblock gab internationalen Perspektiven Raum und untersuchte die Möglichkeiten supranationaler BGE-Modelle wie etwa einer europäischen Grundeinkommensdividende.

Die thematische Vielfalt der Tagung erwies sich als ebenso bereichernd wie anspruchsvoll, wie unter anderem Simon März berichtete, Mitglied des FRIBIS-Teams XUBI: „Für mich persönlich bestand eine der größten Herausforderungen darin, die Vielfalt der Themen und die dahinterliegenden Konzepte gut zu verarbeiten und einzusortieren. Dies erforderte meiner Wahrnehmung nach noch ein Quäntchen mehr an mentaler Arbeit als auf Konferenzen, die sich auf einen singulären Sachverhalt fokussieren.“ Die Bandbreite der Diskussionen hob auch Ulrich Schachtschneider hervor, Energieberater, freier Sozialwissenschaftler und Mitglied im FRIBIS-Team UBITrans. Positiv überraschte Schachtschneider die „Thematisierung von Narrativen“ durch Gudrun Kaufmann vom FRIBIS-Team care. Als intellektuell besonders anregend empfand er zudem die von Prof. Bernhard Neumärker aufgeworfene Diskussion zur „libertarian trap/authoritarian trap“ im Kontext verschiedener Freiheitskonzepte und deren Bedeutung für den Grundeinkommensdiskurs.

Kontroverse um partielle Grundeinkommensmodelle

Der erste Themenkomplex „BGE als soziale Grundsicherung und/odersocial protection floor“ widmete sich der kontroversen Debatte um partielle Grundeinkommensmodelle. Während Spermann in seiner Keynote für ein partielles BGE als realistische Option für Deutschland plädierte, verwies Althammer in seiner Keynote auf das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Zielsetzungen: Verteilungsgerechtigkeit, fiskalische Machbarkeit und ökonomische Effizienz ließen sich nicht gleichzeitig optimal erreichen. Auch eine andere Grundsatzdebatte erwies sich als echte Herausforderung, wie Verena Löffler, Mitglied des FRIBIS-Teams care, berichtet:

Die Argumentation, dass es aus aktivistischer Perspektive sinnvoll ist, ein Grundeinkommen unabhängig von der konkreten Höhe einzuführen, die zum Beispiel ein Existenzminimum sichern soll, ist auf viel Widerstand gestoßen. Diese Reibung innerhalb der Forschungsgemeinschaft (und auch unter den Aktivist:innen) diesbezüglich kann gewinnbringend, aber auch spaltend sein.

Verena Löffler

Verfassungsrechtliche Hürden im Fokus

Neben der grundsätzlichen Debatte um partielle versus vollständige Grundeinkommensmodelle wurden auch konkrete Umsetzungshürden thematisiert. Besonders herausfordernd gestaltete sich ein Workshop zu verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der BGE-Einführung, wie Co-Moderator Otto Lüdemann, Prof. em. für Erziehungswissenschaften an der HAW Hamburg, berichtet:

Von dieser Thematik kann ich zwar sagen, dass sie mich persönlich in hohem Maße interessiert, teilweise sogar fasziniert, muss aber andrerseits zugeben, dass ich selber weder Jurist, noch gar Verfassungsrechtler bin. Insofern war es umso misslicher, dass ein zu dem Workshop eingeladener, ausgewiesener Experte, nämlich Dr. Maximilian Bauer, der Leiter der ARD-Rechtsredaktion beim SWR in Karlsruhe, leider verhindert war und absagen musste. Auch unter den interessierten Teilnehmenden fand sich niemand, der diese Lücke eventuell hätte schließen können. Jedenfalls verfügte weder ich, noch auch mein Co-Moderator, Herr Neumärker, über ausreichendes, diesbezügliches Expertenwissen, um insbesondere einem Teilnehmer Paroli zu bieten, der bestimmte in meinem Einleitungsbeitrag zitierte gutachterliche Aussagen von Autoren des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Jahr 2016 in Zweifel zog. Konkret ging es um die These, wonach es derzeit an einem geeigneten, grundgesetzlichen ,Kompetenztitel‘ für die Einführung eines BGE mangelt, immerhin eine These mit potenziellen, weit-reichenden Konsequenzen. Für den Fall, dass sich eines Tages der politische Wille zur Einführung eines BGE abzeichnen sollte, könnte dieser Umstand ja in der Tat die Umsetzung eines solchen politischen Willens, wenn nicht dauerhaft, so zumindest doch auf Jahre blockieren.

Otto Lüdemann

Als konstruktiven Ausweg schlug Lüdemann vor, die verfassungsrechtliche Problematik in einem ARD-Podcast mit Experten und Vertretern des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu vertiefen.

BGE und ökologische Transformation

Der zweite Themenschwerpunkt der Tagung bestand in der Frage, wie Grundeinkommen und ökologische Nachhaltigkeit zusammen gedacht werden können. Dabei wurden verschiedene Instrumente diskutiert, die sowohl soziale Sicherheit als auch ökologische Transformation unterstützen könnten – von Klimadividenden bis hin zu speziellen Grundeinkommensmodellen für den Naturschutz. Besonders beeindruckt zeigte sich Simon März von der Arbeit des FRIBIS-Teams BINC:

Deren Ansatz, durch Grundeinkommenszahlungen der ökologischen Degradation systematisch entgegenzuwirken, fand ich vielversprechend. Interessant an der Arbeit des FRIBIS-Teams erschien mir vor allem auch, dass es dieses Konzept an verschiedenen Orten wie Indonesien, Kambodscha und Indien erforscht. Somit wird es in verschiedensten Kontexten untersucht und ich bin gespannt, was die Forschungsprojekte des Teams für Ergebnisse liefern werden.

Simon März

Internationale Perspektiven und globale Implementierungen eines BGE

Die internationale Dimension der Grundeinkommensforschung, die sich exemplarisch am BINC-Projekt zeigt, stand im Mittelpunkt des dritten Themenschwerpunkts der Tagung. Einen besonderen Einblick bot hier Fabio Waltenberg in seiner Keynote zum „Citizens Basic Income“ in der brasilianischen Stadt Maricá. In dieser Stadt mit rund 200.000 Einwohner:innen erhalten fast 50% der Bevölkerung eine Form des bedingungslosen Grundeinkommens, das in einer lokalen Währung („mumbuca“) ausgezahlt wird. Auch andere internationale Implementierungen des Grundeinkommens standen im Fokus: Verena Löffler hob besonders die Panel-Diskussion zur Grundeinkommensstudie in Indien hervor, die sie fasziniert habe:

Die Forscher:innen waren mehrere Monate vor Ort und der Aufbau des Experiments lässt auf spannende Ergebnisse hoffen. Die qualitative Herangehensweise der Forscher:innen aus Großbritannien halte ich in diesem Zusammenhang für besonders vielversprechend.

Verena Löffler

Fazit

Die diesjährige FRIBIS-Jahrestagung erwies sich einmal mehr als produktives Forum des Austauschs zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Teilnehmenden hoben besonders die Vielfalt der diskutierten Konzepte und Ideen hervor, von denen alle Beteiligten profitieren konnten. Der kollegiale Charakter der Veranstaltung, die von Ulrich Schachtschneider nicht umsonst als „Familientreffen“ bezeichnet wurde, tat der inhaltlichen Tiefe keinen Abbruch. Besonders positiv wurde allgemein die Verbindung verschiedener Perspektiven aufgenommen, etwa die Verknüpfung von Care-Arbeit und Gender-Aspekten mit der Grundeinkommensdebatte oder die Diskussion ökologischer Transformationspotenziale. Die aufgeworfenen Fragen – von der Kontroverse um partielle Grundeinkommen über verfassungsrechtliche Hürden bis hin zur Verbindung von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit – werden den Grundeinkommendiskurs auch weiterhin prägen.

Zu guter Letzt sei der Sin Carne Schwarzwald GmbH für ihr ausgezeichnetes veganes Catering sowie Elza Loginova für ihre professionelle fotografische Dokumentation der Tagung besonderer Dank ausgesprochen.

Workshop an der FH Dortmund am 24. Januar 2025: “Bedingungsloses Grundeinkommen und Soziale Infrastruktur”

Jetzt erst recht: Der Streit um den Haushaltsentwurf der Bundesregierung, Verpflichtungen durch akute Krisen wie den Ukraine-Krieg, Wirtschaftsflaute und drohende Umsatzeinbußen durch den Ausgang der US-Wahl lassen scheinbar keinen Spielraum für sozialpolitische Forderungen oder gar visionäre Höhenflüge. Aber gerade diese Krisen verweisen auf die Sackgassen, in die eine Sparpolitik führt: nicht zuletzt der Rechtsruck in Teilen des Landes zeugt von den Folgen starker Verunsicherung und existenzieller Sorgen. Vor diesem Hintergrund sind offene Diskussionen und ein beherztes Nachdenken über Zukunftsalternativen umso dringlicher. Dieses Vorhaben setzt sich der Sozialpolitische Fachtag in Dortmund als Agenda und Ziel:

Der Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der FH Dortmund organisiert in Zusammenarbeit mit dem Freiburg Institute for Basic Income Studies (FRIBIS), dem Netzwerk Grundeinkommen Deutschland und BIEN Austria einen Workshop zum Thema “Bedingungsloses Grundeinkommen und Soziale Infrastruktur?! Anschlussstellen und Widersprüche auf dem Weg in eine nachhaltige Gesellschaft”.

Thema: Die einen haben eine finanzielle bedingungslose Absicherung für alle im Blick, als Grundlage der Existenz- und Teilhabesicherung, Freiheit zu Selbstbestimmung und Wahrnehmung von Care-Tätigkeiten; die anderen fokussieren auf die Teilhabe an Bildung, Gesundheit, Verkehr, Wohnen, Energie und politischen Entscheidungen. Zwei Ansätze: Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE/UBI) und Soziale Infrastruktur/Dienstleistungen (SI/UBS) – zwei Wege, gleiche Ziele? Widersprechen oder ergänzen sie sich? Führen beide Wege in eine nachhaltige, zukunftsfähige Gesellschaft? Was wäre unter einer solchen Gesellschaft zu verstehen? Und wie ließe sich eine derartige Transformation in Gang setzen?

Ziel: Der Workshop will in beide Ideen einführen und ihre Stärken, Schwächen, Anschlussstellen, Unvereinbarkeiten und Umsetzungswege diskutieren. Dazu werden beide Ansätze zunächst auf wissenschaftlicher Ebene dargestellt, kontrovers beleuchtet und zu verwandten Debatten in Bezug gesetzt (De-Growth, Alltagsökonomie). Im nächsten Schritt werden zwei populäre politische Initiativen vorgestellt (Öffentlicher Luxus, Care Revolution) und vor dem Hintergrund der jeweiligen Theorien betrachtet. Schließlich wird anhand der Lebenslage und Interessen von wohnungs- und obdachlosen Menschen exemplarisch die Praxistauglichkeit der Ansätze geprüft. Der Ortswechsel von der Hochschule in die (Nord-)Stadt steht auch für einen Perspektivenwechsel: Wie könnte eine Transformation der Gesellschaft in Anbetracht der Ansätze und Ideen gelingen? Wie sehen es die Akteure selbst?

Veranstalter: Der Workshop wird von der FH Dortmund in Partnerschaft mit FRIBIS, dem Netzwerk Grundeinkommen Deutschland und BIEN Austria veranstaltet. Zu den seitens des FRIBIS maßgeblich beteiligten Personen gehören Margit Appel, Roland Blaschke, Ute Fischer und Gudrun Kaufmann vom FRIBIS-Team care.

Zielgruppe: Die Veranstaltung richtet sich an Studierende im Masterbereich, Fachkolleg*innen mit einem Schwerpunkt auf Wohnungslosigkeit, weitere Gäste und Kooperationspartner sowie an die breite Stadtgesellschaft und zivilgesellschaftliche Initiativen.

Die Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten der FH Dortmund statt, mit einem Abstecher in die Nordstadt, um einen Perspektivenwechsel und den Dialog zwischen der Hochschule und der Stadtgesellschaft zu fördern.

 

FRIBIS auf dem BIEN-Kongress 2024: Ein Rückblick

Der diesjährige BIEN-Kongress fand vom 29. bis 31. August an der University of Bath (Großbritannien) statt. Die Veranstaltung mit dem Titel „Reclaiming radical roots: Basic income and Socio-Ecological Transformation“ widmete sich dem Potenzial des Grundeinkommens, eine ökonomisch gerechte, politisch inklusive und ökologisch nachhaltige Welt zu schaffen. Unter den Teilnehmenden aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik waren auch Mitglieder verschiedener FRIBIS-Teams.

In den folgenden Berichten teilen die FRIBIS-Mitglieder ihre Eindrücke vom Kongress. Dabei zeigt sich die Bandbreite der diskutierten Themen: vom Grundeinkommen als Exit-Option aus prekären Verhältnissen über Genderperspektiven in der Grundeinkommensforschung, der Rolle des Grundeinkommens in der sozial-ökologischen Transformation, bis hin zu innovativen methodischen Ansätzen wie der narrativen Ökonomik. Auch die Bedeutung lokaler Grundeinkommensinitiativen wurde thematisiert. Wie die FRIBIS-Mitglieder den Kongress erlebt haben, welche neuen Erkenntnisse sie gewonnen haben und inwiefern sie der persönliche Austausch sowie die Vernetzung innerhalb der internationalen Forschungsgemeinschaft vorangebracht hat, erfahren Sie im weiteren Text.

Clem Davies und Carlota De Novales, FRIBIS-Team UBI & Gender: “Voice and Representation in Basic Income Research”

Carlota De Novales stellte ihre Studie Voice and Representation in Basic Income Research vor, die sie gemeinsam mit Clem Davies verfasst hat. Die Untersuchung befasste sich mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in Beiträgen zur Grundeinkommensforschung, wobei der Fokus besonders auf der Fachzeitschrift Basic Income Studies lag. Analysiert wurden sowohl die Geschlechterverteilung der Autor:innen als auch der Umfang, in dem Genderthemen in der publizierten Literatur behandelt werden. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen nur etwa 25% der beitragenden Autor:innen ausmachten und dass sich weniger als 10% der veröffentlichten Artikel substantiell mit genderbezogenen Themen auseinandersetzten. Zudem wurde festgestellt, dass die Forschung zu Genderfragen überwiegend von Frauen durchgeführt wurde. Die anschließende Diskussion verlief konstruktiv, wobei die Teilnehmenden weitere Forschungsansätze und Publikationsmöglichkeiten zu diesem Thema anregten.

Jessica Schulz, FRIBIS-Team UBI & Gender: „Equalizing Educational Opportunities: Basic Income, Scarcity Mindset and Students’ Academic Paths”

Beim diesjährigen BIEN Kongress in Bath hatte ich die Gelegenheit, auf vielfältige Weise aktiv mitzuwirken. In meinem Vortrag „Equalizing Educational Opportunities: Basic Income, Scarcity Mindset and Students’ Academic Paths“ stellte ich die qualitative Auswertung meiner Fragebogenstudie zum Thema Bedingungslosen Grundeinkommen und Knappheitsmentalität vor. Das Panel „Transformative Effects of Basic Income” im „Stream Social Policy“ wurde von Philipe van Parijs geleitet. Die Präsentation vor einem internationalen Publikum war eine wertvolle Übung, meine Forschung klar zu kommunizieren und auf die anregenden Fragen des Publikums sowie des Moderators souverän zu reagieren. Die Diskussion im Anschluss hat mir zahlreiche Impulse für das Paper gegeben, welches ich in diesem Herbst schreiben werde.

Zudem war ich als Koordinatorin des FRIBIS Gender Teams maßgeblich an der Organisation eines Round-Tables mit dem Titel „Exploring Gender Balance and Perspectives in Basic Income Research“ beteiligt, welches ich beim Kongress auch moderiert habe. Speaker*innen waren Almaz Zelleke (Professorin an der NYU Shanghai und Mitglied des Gender Teams), Fabio Waltenberg (Professor an der Universidade Federal Fluminense in Niterói und Editor des Journals Basic Income Studies) und Carlota De Novales Coronel (Erasmus-Studentin und Mitglied des Gender-Teams). Besonders erfreulich war die rege Beteiligung des Publikums an der Diskussion über die Geschlechterverteilung in der Grundeinkommensforschung. Die Vielzahl an Fragen und Beiträgen zeigte das große Interesse am Thema.

Der Kongress war für mich eine sehr bereichernde Erfahrung, da ich sowohl in der Rolle der Vortragenden als auch der der Moderatorin wirken konnte. Beide Formate erfordern unterschiedliche Herangehensweisen in der Gesprächsführung und Präsenz, und ich bin dankbar für die Möglichkeit, mich in beiden zu erproben. Das positive Feedback, das ich erhalten habe, hat mich zusätzlich motiviert. Besonders schätzte ich das Gefühl der Vernetzung, das durch meine Arbeit am FRIBIS und besonders im FRIBIS Gender Team entstanden ist. Viele der Kongressteilnehmer*innen kannte ich bereits von früheren Veranstaltungen. Zudem hatte ich die Möglichkeit, Teil des neu gegründeten BIEN PhD Networks zu werden, das sich im Rahmen des Kongresses erstmals getroffen hat. Insgesamt war der Kongress für mich eine positive, lehrreiche Erfahrung, sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht.

Vortrag: “Equalizing Educational Opportunities: Basic Income, Scarcity Mindset and Students’ Academic Paths”

Ein weiteres Highlight: BIEN hat eine Folie aus meinem Vortrag aufgegriffen für den Social-Media-Kanal des Kongresses

Round-Table: “Exploring Gender Balance and Perspectives in Basic Income Research”. Von links: Jessica Schulz, Carlota De Novales Coronel, Almaz Zelleke, Fabio Waltenberg

Konferenz-Dinner, von links: Carlota De Novales Coronel, Almaz Zelleke, Jessica Schulz, Fabienne Hansen

Gudrun Kaufmann, FRIBIS-Team care: „Narratives of Change – Basic Income through the Lens of Narrative Scenario Analyses & Conviction Narrative Theory”

Als ich erfuhr, dass der diesjährige BIEN-Kongress in England stattfinden würde, hatte ich den Wunsch, diesmal vor Ort zu sein. Es ging mir nicht nur darum, einen Teil meiner aktuellen Forschung vorzustellen, sondern auch darum, die internationale Forschungsgemeinschaft zum Grundeinkommen ,hautnah’ zu erleben und einige Bekannte und Freund*innen wiederzusehen. Die besondere Situation am FRIBIS wurde mir dabei noch einmal deutlich: Ich hatte in den letzten Jahren sehr viele Akteur*innen der Grundeinkommensforschung in Freiburg kennengelernt und hatte nun die Gelegenheit, viele von ihnen in England wieder zu treffen.

Der Titel meines Vortrags war „Narratives of Change – Basic Income through the Lens of Narrative Scenario Analyses & Conviction Narrative Theory”. In meinem Vortrag habe ich meine theoretische Perspektive der ,narrativen Ökonomik’ sowie verschiedene Ansätze zu ,Narratives of Change’ am Beispiel von Grundeinkommensstudien vorgestellt, um so das Potenzial narrativistischer Methoden für die weitere Grundeinkommensforschung aufzuzeigen. Es gab interessierte Nachfragen im direkten Anschluss und auch im Nachgang noch Austausch mit anderen Wissenschaftler*innen. Das positive Feedback hat mich in meinem Forschungsansatz bestärkt und einen weiteren Motivationsschub ausgelöst. Ich bin dankbar, dass ich dieses Jahr die Möglichkeit hatte, am BIEN Kongress teilzunehmen.

Es ist meine zweite Teilnahme an einem solchen BIEN-Kongress, aber die erste, bei der ich persönlich vor Ort sein konnte. England konnte ich klimafreundlich mit dem Zug erreichen. Im Vorfeld hatte ich mich dem lokalen Organisationskomitee als freiwillige Helferin angeboten. So war ich schnell in ein hochmotiviertes Team eingebunden und konnte zum Gelingen des Kongresses beitragen. Neben dem fachlichen Austausch bietet ein solcher Kongress natürlich auch gute Möglichkeiten zum Netzwerken und ich bin gespannt, wie sich einige Projekte weiterentwickeln werden.

Tobias Jäger, FRIBIS-Team Basic Income for Peacebuilding: „Basic Income And Exit As A Social Good“

Bei der diesjährigen Konferenz in Bath hatte ich das Vergnügen, den Stand einer gemeinsamen Arbeit von Jurgen De Wispelaere und mir mit dem Titel „Basic Income And Exit As A Social Good“ vorzustellen. Die Präsentation fand am ersten Tag im Panel „Labour and Exit“ statt. Ich habe den Vortrag alleine gehalten, da Jurgen De Wispelaere zur gleichen Zeit einen anderen Vortrag hatte. Das Panel war gut besucht und wurde meines Wissens auch aufgezeichnet. Ziel dieses Vortrags war es, erstmals Feedback zu der Idee Exit als „social good“ zu erhalten. Im Anschluss an den ca. 20-minütigen Vortrag gab es eine längere Fragerunde. Dabei wurde zum einen die Annahme eines negativen Zusammenhangs zwischen dem Wert der Exit-Option und ihrer Nutzung hinterfragt. Dieses Feedback war sehr hilfreich, da klar wurde, was später noch stärker begründet werden muss. Prof. Almaz Zelleke regte an, das Modell detaillierter zu gestalten, so dass auch Genderfragen beleuchtet werden können. Für mich persönlich war der Vortrag eine gute Gelegenheit, meine Fähigkeiten als Vortragender zu verbessern. Es hat mir auch geholfen, die aktuellen Debatten zu diesem Thema besser zu verstehen und mich daran zu beteiligen. Das Feedback war sehr positiv und ermutigend weiter daran zu arbeiten. Schließlich wurde unser Papier auch eingeladen Teil eines Special Issue zu werden. Hier bleibt aber abzuwarten, was tatsächlich dabei herauskommt.

Generell zu Labour und Exit gab es während der gesamten Konferenz immer wieder interessante Veranstaltungen. So zum Beispiel „Rethinking Rawls On Employment And A Universal Basic Income“ von Larry Udell oder „Rawlsian Arguments For And Against Basic Income And Job Guarantees“ von Michael Howard, aber auch „Between Charity And Entitlement: Unconditional Basic Income As A Gift von Catarina Neves“. Alle drei Vorträge waren sehr interessant, auch aus einer sozialvertraglichen Perspektive.

Enttäuschend war für mich als Koordinator von Basic Income for Peacebuilding, dass sich die Debatten dort leider nicht substantiell weiterentwickelt haben. So habe ich ein Panel zu diesem Thema als nicht tiefgreifend empfunden. Selbstkritisch muss ich hier hinzufügen, dass eine stärkere Rolle als FRIBIS-Koordinator angebracht gewesen wäre.

Mein persönliches Fazit der Konferenz ist sehr positiv. Ich konnte meine Fähigkeiten weiterentwickeln, hatte die Möglichkeit mich mit anderen Forschern zu vernetzen und habe positive und hilfreiche Rückmeldungen zu meiner eigenen Arbeit erhalten.

Fabienne Hansen: „The Making Of Moeda Social Arariboia: Mapping A Network Of Concepts Through Federal And Local Exchange In Brazilian Municipal Social Policies“

Der 23. Kongress in Bath war für mich mit vielfältigen Eindrücken verbunden. So habe ich an verschiedenen Beiträgen und Initiativen mitwirken können, wobei insbesondere die Gründung des UBI Early Career Networks für mich hervorsticht. Das große Interesse an dieser Initiative hat mich positiv überrascht und sehr gefreut. Ich erhoffe mir, dass das Netzwerk in Zukunft das akademische Miteinander für aufstrebende UBI Forscher*innen nachhaltig beeinflussen kann.

Zudem habe ich mich an zwei Panels mit Beiträgen beteiligt. So war ich Teil eines Roundtables zu „The Municipal Path to Basic Income: What Can We Learn from the Maricá Model?“, dem insgesamt großes Interesse entgegengebracht wurde. Das Panel hat es sogar in die Lokalnachrichten von Maricá geschafft, ein weiteres Highlight für mich. Des Weiteren habe ich im Zuge eines Panels zu Maricá Ausschnitte aus meiner eigenen Forschung zur Moeda Social Arariboia vorstellen können. Auch hier war das Publikum interessiert und das Feedback nützlich. Insbesondere die Gespräche im Anschluss an das Panel haben mir gezeigt, dass das Thema auf große Resonanz stößt und viele der mehr informellen Gespräche im Anschluss haben mir vertiefend gezeigt, dass Austausch mit der UBI Community keine verlorene Zeit ist.

Insgesamt habe ich die Atmosphäre beim Kongress als bereichernd und aufgeschlossen empfunden. In vielerlei Hinsicht war der produktive Austausch mit anderen Personen, die sich mit UBI beschäftigen für mich eine gute Erfahrung, die nachhaltige Eindrücke für zukünftige Projekte und Kooperationsmöglichkeiten gegeben hat.

Roundtable-Beitrag, Teilnehmende (von links nach rechts): Fábio Waltenberg, Adalton Mendonça, Marc Doussard, Bru Laín, Fabienne Hansen, Leandro Ferreira

Nach dem Maricá Panel (von links nach rechts): Leandro Ferreira, Eduardo Suplicy, Adalton Mendonça, Fabienne Hansen, Fábio Waltenberg, Marc Doussard

Dominik Schröder und Bianca Blum, FRIBIS-Team UBITrans: “Climate Justice In The Eco-Social State: The Role Of The Basic Income In Commons Regulation”

In unserer Präsentation auf dem BIEN-Kongress stellten wir die Rolle des bedingungslosen Grundeinkommens innerhalb eines Ökosozialstaats vor. Der Schwerpunkt lag dabei vor allem darauf, wie mithilfe eines BGE eine klimagerechte Allmenderegulierung erreicht werden kann. Basierend auf der sogenannten „Tragik der Allmende“ wurde aufgezeigt, wie gemeinschaftliche Ressourcen, etwa die Erdatmosphäre als CO2-Speicher oft übernutzt werden, wenn keine Anreize für deren nachhaltige Nutzung bestehen. Wir argumentierten, dass ein Ökosozialstaat, der das Ziel verfolgt, ökologische und soziale Nachhaltigkeit miteinander in Einklang zu bringen, nicht nur die Übernutzung des Allgemeinguts verhindern, sondern dabei auch eine faire Verteilung der daraus entstehenden Kosten und Nutzen sicherstellen muss. Während eine CO2-Bepreisung das Problem der Übernutzung adressieren könnte, belastet die regressive Wirkung eines solchen CO2-Preises insbesondere ärmere Haushalte, die durch höhere Energiepreise stärker belastet werden. Ein BGE könnte diesem Effekt entgegenwirken und lässt sich normativ aus dem Prinzip der Klimagerechtigkeit herleiten, dass wir in seiner einfachsten Form als gleiches Recht auf natürliche Ressourcen definieren. Die Einnahmen aus der Besteuerung natürlicher Ressourcen sollten daher pro Kopf in gleichen Anteilen zurückgezahlt werden, zum Beispiel in Form eines Bedingungslosen Grundeinkommens.

Ein Grundeinkommen als Rückzahlungsmechanismus für die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung fördert die Idee, dass alle Menschen das Recht auf eine faire Teilhabe an den gemeinschaftlichen Gütern wie der Atmosphäre haben. Es sorgt zudem dafür, dass die Mehrheit der Bevölkerung durch eine solche Reform netto bessergestellt wäre, was breite politische Zustimmung für höhere CO2-Preise und damit eine effektivere Reduzierung von CO2-Emissionen sicherstellen könnte. Dies könnte ein zentraler Vorteil eines Grundeinkommens im Kontext einer sozial-ökologischen Transformation sein, der innerhalb der Ökosozialstaatsliteratur bislang wenig diskutiert wird.

Vom Kongress haben wir viele hilfreiche Anmerkungen, Perspektiven und Ideen zu unserem Forschungsprojekt mitnehmen können. Besonders die Diskussion im Anschluss an die Präsentation sowie die Vorträge der anderen Panelteilnehmenden hat uns geholfen, unser Konzept konstruktiv zu hinterfragen und zu erweitern. Wir sehen uns nach der Kongressteilnahme darin bestärkt, dass der Diskurs über die Rolle des Bedingungslosen Grundeinkommens für die sozial-ökologische Transformation noch viel Entwicklungspotential hat und die Verbindung zwischen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Larissa Walter: “How Can Cognitive Psychology Contribute to the Discourse on Basic Income? Integrating Basic Income and Cognitive Control Research through Laboratory Methodology”

Mit meinem Beitrag auf der BIEN-Konferenz habe ich eine Möglichkeit vorgestellt, wie mit Hilfe von Laborexperimenten eine Brücke zwischen der Forschung zu kognitiver Kontrolle und der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen geschlagen werden kann. Nach einer kurzen Einführung in die aktuelle Forschungslandschaft zum BGE und den Einsatz von Laborexperimenten stellte ich meine eigene Forschung als konkretes Beispiel vor und betonte dabei insbesondere die Relevanz der Forschung zu kognitiven Kontrollprozessen. Dabei erläuterte ich nach einer kurzen Begriffsklärung zunächst die relevanten Parameter eines kognitionspsychologischen Laborexperiments und stellte anschließend die Ergebnisse meines systematischen Reviews vor.

Es wurde deutlich, dass das Publikum besonders an der Relevanz und praktischen Umsetzbarkeit meiner Forschung für den Alltag interessiert war, z.B. wie Erkenntnisse aus der Kognitionsforschung im Kontext des BGE-Diskurses genutzt werden können oder wie kognitive Effekte durch die Einführung eines BGE nachgewiesen werden könnten. Großes Interesse bestand auch daran, wie solche Erkenntnisse in bestehende Modellprojekte einfließen könnten. In Zukunft möchte ich daher verstärkt auf konkrete Anwendungsbeispiele eingehen, um zu verdeutlichen, wie die Verknüpfung von Kognitionsforschung und BGE-Diskurs in der Praxis aussehen könnte.

Auf der Konferenz hatte ich neben den Vorträgen viele informelle Gespräche, in denen ich meine Forschungsschwerpunkte diskutieren konnte. Diese Gespräche waren spannend und zeigten, dass großes Interesse an meinem Thema besteht. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass einige kognitionspsychologische Konzepte und methodische Ansätze noch weiterer Erläuterung bedürfen. Als besonders bereichernd habe ich den Austausch mit den anderen Teilnehmern empfunden. Ihre Themen eröffneten mir neue Perspektiven und halfen mir, meine eigene Forschung aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Zudem konnte ich in einigen Fällen praktische Hinweise aus meiner Expertise einbringen, was den Dialog noch wertvoller machte.

 

Ringvorlesung zum Grundeinkommen an der Uni Wien im WS 2024/25 & Erweiterung des Care-Teams um Margit Appel

An der Universität Wien findet im Wintersemester 2024/25 eine Ringvorlesung zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen – Baustein für gesellschaftliche Transformation und Politikgestaltung“ statt. Die von Prof. Dr. Barbara Prainsack geleitete Vorlesungsreihe wird in Zusammenarbeit mit dem “Netzwerk Grundeinkommen und Sozialer Zusammenhalt – BIEN Austria” organisiert.

Gegründet wurde das “Netzwerk Grundeinkommen und Sozialer Zusammenhalt – BIEN Austria” unter anderem von Margit Appel, die das FRIBIS-Team “care” zukünftig als Mitglied des Tranfer Teams unterstützen wird. Mit Appel gewinnt das Team eine ausgewiesene Expertin für feministische Perspektiven auf das Grundeinkommen. Ihre Beweggründe für den Beitritt zum Care-Team erläutert sie wie folgt:

Ich beschäftige mich schon wirklich lange mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen aus einer feministischen Perspektive. In der Grundeinkommensbewegung selbst wird die Frage nach der Verteilung der unbezahlten Arbeit unter den Verhältnissen jetzt unzureichend thematisiert. Ebenso fehlen systematische Überlegungen zur möglichen Wirkung eines BGE auf die Verteilung schlecht- und unbezahlter Care-Arbeit. Ich habe dazu gemeinsam mit Barbara Prainsack ein Buch geschrieben, das Anfang 2024 erschienen ist. Bei der FRIBIS-Jahrestagung 2023, bei der ich eingeladen war, Thesen aus dem Buch vorzustellen, konnte ich das Care-Team kennenlernen. Die Einladung mitzuarbeiten, habe ich sofort und gerne angenommen, weil ich damit ,einen Ort‘ gefunden habe, an dem die Fragen diskutiert werden, die mir wichtig sind.

Wir haben Margit Appel außerdem gefragt, was sie sich von ihrer Team-Mitgliedschaft erhofft:

Da ich schon bei einigen Treffen dabei sein durfte, muss ich mich nicht mehr nur auf’s Hoffen beziehen. Ich habe schon erfahren, dass in einer sehr unhierarchischen, offenen Weise daran gearbeitet wird, Beiträge zu den Besonderheiten und Herausforderungen des Care-Themas leisten zu können und in differenzierter Weise über den Impact des BGE zu reflektieren. Weiterbringende Einsichten gab es bislang bei jedem Gespräch und darauf hoffe ich, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Zur BGE-Ringvorlesung, die im Wintersemester 2024/25 an der Universität Wien stattfindet, erklärt Appel

Mit den zwölf Vorlesungseinheiten soll aus möglichst vielen Themenfeldern heraus der Frage nachgegangen werden, ob und in welcher Weise das BGE Baustein für gesellschaftliche Transformation und Politikgestaltung sein kann. Die ersten Vorlesungen widmeten sich den Baufehlern und Wirkungen des österreichischen Sozialstaates, dem Einfluss künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt und dem Zusammenhang von Arbeit, Care und BGE. Bei dieser letzten Einheit haben Ute Fischer und Verena Löffler vom FRIBIS-Care-Team Beiträge geleistet. Es folgt die Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel von BGE und öffentlichen Infrastrukturen, der Position der Gewerkschaften zum BGE, die Frage der Finanzierung als Unterscheidung zwischen emanzipatorischen und neoliberalen BGE und damit Politikvorstellungen (ein Vortrag kommt von Ronald Blaschke, Mitglied des Care-Teams). Zwei ,Experimente‘ werden miteinander verglichen: ein BGE-Projekt in Heidenreichstein und ein Jobgarantie-Projekt in Marienthal, beides niederösterreichische Gemeinden. Die ökologische Vielfachkrise ist Thema eines Podiums mit u. a. VertreterInnen von Friday for Future und System Change not Climate Change. Dementsprechend wird in einer weiteren Vorlesung die Frage gestellt, ob der österreichische Klimabonus so etwas wie ein Einstiegsprojekt in das BGE sein könnte. Ein Online-Podium mit Beiträgen aus Katalonien, Irland und der UBI-European Initiative und eine Vorlesung über Narrative Ökonomie – mit einem weiteren Mitglied des Care-Teams, Gudrun Kaufmann – beschließen den Bogen.

Die Ringvorlesung findet jeweils mittwochs von 18:30 bis 20:00 Uhr im HS III NIG der Universität Wien statt. Detaillierte Informationen zum Programm finden Sie hier.

FRIBIS-Team “Basisgeld”: Präsentation des Basisgeld-Konzepts im Bundestag und Klimaprämien-Vorschlag

Zwei Mitglieder des FRIBIS-Teams “Basisgeld” haben sich vor Kurzem öffentlichkeitswirksam in die Debatte um direkte Transferzahlungen eingebracht: Am 17. Oktober 2024 erläuterte Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bundestagsabgeordneter und FRIBIS Basisgeld-Teammitglied, das von Teamleiter Prof. Alexander Spermann entwickelte Basisgeld-Konzept im deutschen Bundestag:

Darüber hinaus stellt Dr. Stefan Bach, wissenschaftlicher Mitarbeiter des DIW Berlin und Basisgeld-Teammitglied, in einem aktuellen Audio-Interview Vorschläge zur Umsetzung einer Pro-Kopf-Klimaprämie vor, die auch im DIW-Wochenbericht nachzulesen sind. Bach schlägt eine jährliche Klimaprämie von 124 Euro vor, die ab 2026 unbürokratisch über die Steuer-ID ausgezahlt werden könnte. Ein besonderes Merkmal seines Konzepts: Die Prämie soll bei höheren Einkommen über das Steuersystem wieder abgeschmolzen werden, wodurch zusätzliche Mittel für die gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte zur Verfügung stünden.

Dr. Stefan Bach