Abstract zum Vortrag: Die milliardenschweren Entlastungspakete der Ampelkoalition machten deutlich, dass die bisherigen Prinzipien traditioneller sozialpolitischer Instrumente immer stärker in Konflikt geraten mit der Einhaltung klimapolitischer Zielvorgaben. Die notwendige Dekarbonisierung von Industrie- und Energieproduktion sowie beim Mobilitätsverhalten erfordern künftig „neue“ Formen eines Sozialausgleichs, der vor allem der Einlösung der Klimaziele verpflichtet bleibt.
Dass das Primat der Verfolgung klimapolitischer Verpflichtungen künftig auch bei sozialpolitischen Entscheidungen nicht vernachlässigt werden kann, ist spätestens mit dem am 30. April 2021 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu einer Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz des Jahres 2019 klar geworden, in dem festgestellt wurde, dass die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen mit Grundrechten unserer Verfassung unvereinbar sind. Zum Kern des Urteils zählt vor allem, dass für den Weg zum Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 Transparenz zu einschneidenden Schritten zur Senkung von Emissionen hergestellt werden müsse, so dass nach dem Jahr 2030 vor allem die Belastungen der jüngeren Generation nicht überproportional ausfallen.
Das im Koalitionsvertrag beschlossene Klimageld bedarf derzeit vor allem noch eines beschleunigten Aufbaus eines entsprechenden Ordnungsrahmens (konkret eines Registers), um künftig direkte Auszahlungen unbürokratisch tätigen zu können. Simulationsstudien gehen davon aus, dass eine solche universelle Pro-Kopf-Kompensation sowohl hinsichtlich wohlfahrtstheoretischer Aspekte eine überlegene Alternative zu anderen derzeit praktizierten Formen eines Sozialausgleichs darstellt als auch darüber hinaus sogar das Tempo der Erderwärmung selbst stärker abzubremsen vermag.
Im Beitrag werden die klimapolitischen Ziele sowie bislang vorliegende empirische Studien zu Präferenzen, Ausgestaltung wie Umsetzung einer Abfederung von steigenden Energiekosten präsentiert und kritisch hinsichtlich bisheriger sozialpolitischer Verteilungsprinzipien sowie einer wohlfahrtsstaatlichen Transformation eingeordnet.
Am Donnerstag, dem 26. Januar 2023, hält der Soziologe Prof. Dr. Jürgen Schupp (DIW Berlin) einen Abendvortrag zu „Reform- und Transformationsschritte zu einer nachhaltigen Sozial- und Klimapolitik“.
Zeit: 18:00 – 20:00 Uhr c.t.
Ort: KG 1, HS 1009, Platz der Universität 3, 79098 Freiburg
Zur Person: Jürgen Schupp ist Wissenschaftler (Senior Research Fellow) im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und lehrte bis 2022 als Professor für Soziologie an der Freien Universität Berlin. Jürgen Schupp war von 2011 bis 2017 Leiter des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Das SOEP ist eine forschungsbasierte Infrastruktureinrichtung, die am DIW Berlin angesiedelt ist und gleichzeitig eine der größten und am längsten laufenden multidisziplinären und als Längsschnitt angelegten Haushaltsbefragungen weltweit ist, für die jährlich etwa 30.000 Menschen befragt werden. Zu den Forschungsschwerpunkten von Jürgen Schupp gehören Methoden der empirischen Sozialforschung, Soziale Indikatoren, soziale Ungleichheit, prosoziales Verhalten, soziale Sicherung sowie Modellen von Grundeinkommen. Er ist wissenschaftlicher Koordinator des Pilotprojekts Grundeinkommen in Deutschland, einer randomisierten Feldstudie, die im Juni 2021 mit bedingungslosen monatlichen Geldtransfers für drei Jahre begann.